Montag, 20. August 2012


Eine Leseprobe aus: Schatten


Während der Container quietschend den Flur entlang geschoben wurde, hatte Arnold das Gefühl zu ersticken. Er hielt die Augen geschlossen, der Abfall stank erbärmlich nach vergammelten Essensresten, aber er wagte nicht, sich zu bewegen. „Du musst durchhalten“, sagte er sich.
Der Container stoppte. Das Geklimper schwerer Schlüssel war zu hören, und quietschend öffnete sich eine Tür. Wieder ging die Fahrt weiter, die Rampe herunter in den Hof.
„Na Roland, wie geht’s?“ Die Stimme des Müllfahrers drang bis zu Arnold.
„Ach, wie soll’s einem schon gehen bei dieser Hitze. Würde jetzt lieber im See schwimmen oder ein schönes kaltes Bier trinken.“
„Ich auch“, lachte der Müllfahrer und übernahm den Container, um ihn mit einem Schwung auf eine Hebevorrichtung zu schieben. Er betätigte einen langen schwarzen Griff und Baumann spürte, wie es in die Höhe ging. Ein Ruck, ein Stoß, und der Container hatte das Wageninnere erreicht.
„Ich hab’s geschafft!  Ich hab’s wirklich geschafft!“ Baumann triumphierte. Jetzt war alles nur noch ein Kinderspiel.
Der Müllwagen fuhr an, stoppte kurz vor dem Tor, hupte, und Arnolds Fahrt in die Freiheit begann. Langsam wühlte er sich aus dem Abfall nach oben. Spannte seine Muskeln an und schob vorsichtig, Stück für Stück, den Deckel des Containers zurück. Es war dunkel im Wageninneren, aber seine Augen gewöhnten sich schnell daran. Mit der einen Hand den Deckel festhaltend, hob er erst das eine Bein, ertastete festen Boden und zog das andere nach.
Baumann befreite sich von den Resten des Abfalls, die überall an seiner Kleidung festsaßen. Oh Mann, er würde fürchterlich stinken.
Aber das war im Augenblick nicht das Wichtigste. Schritt für Schritt näherte er sich dem hinteren Teil des Wagens. Eine Klappe am unteren Teil und eine Plane mit Lederschlaufen am oberen Teil waren jetzt noch die einzigen Hindernisse, die es zu überwinden galt. Aber im richtigen Augenblick. Vorsichtig  löste er eine der Schlaufen und schob ein Stück der Plane hoch. Blinzelnd sah er ins grelle Licht und  versuchte, sich zu orientieren.
Der Müllwagen musste sich kurz vor der letzten Ampelkreuzung in Oldenburg Richtung Edewechterdamm befinden.
Er hoffte, dass der Wagen noch einmal halten musste, denn hier war zurzeit wenig Verkehr. Ein Sprung und er wäre draußen. Wachsam registrierte er zwei Radfahrerinnen in zehn Metern Entfernung. Das war keine Gefahr.
Das Müllauto verlangsamte die Fahrt und kam zum Stehen. Die Ampel musste auf Rot geschaltet haben. Das war seine Chance. Er zwängte sich zwischen Klappe und Plane und sprang.
Er kam gut auf, und mit schnellen Schritten erreichte er den Bürgersteig, sprintete zu einem Hofeingang und blieb mit keuchendem Atem stehen. Mit dem Ärmel seines Hemdes wischte er sich den Schweiß von der Stirn.
Langsam ging er zur Hausecke zurück und sah, dass der Müllwagen gerade wieder die Fahrt aufnahm und auf die Bundesstraße bog.
Jetzt hatte er es wirklich geschafft. Sein Blick fiel auf den Lebensmittelmarkt der gegenüberliegenden Seite und streifte die Fahrräder, die in den Ständern standen. Irgendeinen Trottel würde es bestimmt geben, der seinen Drahtesel nicht abgeschlossen hatte. Ein Fortbewegungsmittel brauchte er jetzt unbedingt. Arnold überquerte schnell die Straße. Einige Meter vor dem Parkplatz ging er zu einem gemächlicheren Tempo über.
Gleich das zweite Fahrrad war nicht angekettet und besaß nirgendwo ein Schloss. Es passte alles. ... (Ende der Leseprobe) Das Buch ist zu kaufen bei Amazon

1 Kommentar:

  1. Liebe Brigitte, wie immer scheint auch dieses Werk sehr spannend zu sein.
    Ach, ich müsste meine Bücherwand anbauen....
    Ich bin gerne auf Deinem Blog mit all den schönen Leseproben und Buchvorstellungen.

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