Dienstag, 28. August 2012



Was ist eigentlich ein "gemeinfreies Buch?"




Stellt man als Autor bei Amazon sein E-Book ein, gibt es die Frage: Ist Ihr Werk gemeinfrei?
Viele wissen mit diesem Begriff nichts anzufangen, deshalb hier eine Definition: Gemeinfrei bedeutet, dass keine Lizenz oder Urheberrecht mehr besteht. Wann aber ist das der Fall?  
Dr. Till Kreuzer hat einen, wie ich finde aufschlussreichen Digitalisierungsleitfaden dazu angefertigt.

Darin schreibt er unter anderem:  
 Das Urheberrecht währt 70 Jahre post mortem auctoris (p. m. a. – nach dem Tod des Autors, siehe § 64). Ist diese Zeit abgelaufen, erlischt es endgültig und unwiderruflich. Das Werk wird dann „gemeinfrei“, was bedeutet, dass damit „jeder machen kann, was er will“. Sämtliche Rechte erlöschen, es ist dann z. B. zulässig, das Werk beliebig zu verändern, kom-merziell zu nutzen oder sich gar anzueignen (indem man behauptet, man selbst hätte es ge-schaffen).
Texte werden – anders als z. B. musikalische Einspielungen – grundsätzlich nach Ablauf von 70 Jahren p. m. a. gemeinfrei und können dann frei verwendet werden. Die Frist ist nach § 69 zu berechnen. Sie beginnt „mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem das für den Be-ginn der Frist maßgebende Ereignis eingetreten ist“. Ist ein Urheber also 1924 gestorben, beginnt die Laufzeit der postmortalen Schutzfrist am 1.1.1925. Das Werk wird dann am 1.1.1995 frei.
Die Beurteilung der Schutzdauer kann trotz dieser klaren Regelung in Einzelfällen schwierig sein. Das gilt v. a., wenn Urheberrechte und sog. verwandte Schutzrechte, auch Leistungs-schutzrechte genannt, zusammentreffen. So bestehen an Musikaufnahmen einerseits Urhe-berrechte (der Komponisten und ggf. Textdichter) und andererseits Leistungsschutzrechte (der Musiker und Interpreten sowie des Tonträgerherstellers). Die Leistungsschutzrechte haben andere Laufzeiten, ihre Schutzfrist ist nicht an die Lebenszeit von Personen geknüpft, sondern an die Veröffentlichung von Tonträgern oder die erste öffentliche Wiedergabe der jeweiligen Einspielung (siehe etwa § 82). Geht es also nicht um die Nutzung einer (gemein-freien) Komposition, sondern einer konkreten Aufnahme, sind die verschiedenen Fristen für alle involvierten Rechte zu beachten. Auch die Frist für geschützte Bearbeitungen läuft un-abhängig vom Schutz des Originals. Eine Übersetzung des „Faust“ kann daher Schutz ge-nießen, obwohl das Original nicht geschützt ist (und – da es zu Goethes Zeiten noch kein Urheberrecht gab – nie geschützt war).
Bei Verwendung von Texten ist die Situation derzeit weniger kompliziert als bei Musikwer-ken. Bislang genießen Verlage (außer in seltenen Ausnahmen, s. u.) keine Leistungsschutz-rechte an ihren Ausgaben. Es ist daher im Allgemeinen nicht untersagt, aus einer neueren Kafka-Ausgabe die Original-Fassung von „der Prozess“ zu entnehmen, weil die Herausgabe einer solchen Ausgabe keine neuen Schutzrechte entstehen lässt. Dennoch ist auch bei Sprachwerken zu beachten, dass Bestandteile einer Publikation durchaus noch geschützt sein können, obwohl der Text selbst gemeinfrei ist. Eine jeweils eigene Beurteilung der Schutzdauer erfordern z. B. Vorworte, Kommentare, Abbildungen oder Illustrationen.
Für sekundäres Textmaterial (wie Klappentexte, Buchrückentexte, editorische Notizen etc.) gelten die o. g. Voraussetzungen an den Urheberrechtsschutz gleichermaßen. Es ist schutz-fähig, wenn es sich hierbei um persönliche geistige Schöpfung handelt. Die Länge des Tex-tes ist für diese Beurteilung nicht ausschlaggebend, aber ein wichtiges Indiz. Weitere Indi-zien sind die Sachbezogenheit, die verwendete Sprache oder die Wissenschaftlichkeit des jeweiligen Textes. So ist der Gestaltungsspielraum bei Nachrichten etwa kleiner als bei Kommentaren. Ob im jeweiligen Fall ein Schutz besteht, kann allerdings nur am Einzelfall überprüft werden.
Lizenz: Creative-Commons/ Herausgeber:  Hochschulbibliothekszentrum des Landes Nordrhein-Westfalen (hbz), Jülicher Straße 6, 50674 Köln, http://www.hbz-nrw.de/

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